Die Gezeiten und die Ostsee 

Nach soviel Theorie, wissen wir jetzt wie die Gezeiten entstehen, wie sie sich auswirken und selbst die Verschiebungen und Ungleichheiten haben wir kennen gelernt, doch wie sieht es konkret auf der Ostsee aus ? Wir erinnern uns im April 2003 war der Wasserstand knapp 1 Meter höher als üblich. 

Wir wissen, dass der Einfluss der Gezeiten auf Randmeere und die Ostsee ist ein Randmeer, sehr gegrenzt ist. So haben wir im Kattegat ein Tidenhub von ca.30 cm, der sich auf der mittleren Ostsee auf ca.10 cm verringert und bei St.Petersburg, durch die Länge des Finnischen Meer- busens, wieder auf 20 cm erhöht. Hingegen verringert sich der Tidenhub auf wenige Zentimeter im nördlichen Teil der Ostsee. 

Was man unter Tide versteht wissen wir, aber was ist ein Tidenhub ? Nach DIN 13312 ist der Tidenhub, der arithmetische Mittelwert aus Tidenstieg und Tidenfall einer Tide. Dies ist notwendig, weil der Wasserstand vor und nach einer Tide unterschiedliche Wasserhöhen aufweisen kann. 

Fassen wir zusammen: 10 cm des Wasseranstiegs könnten bestenfalls durch Gezeiten verursacht worden sein. Doch das reicht nicht, was ist mit den restlichen 90 cm ? 

 

Luftdruck und Wasserstand 

Vielleicht schauen wir uns doch mal unsere Atmosphäre an, die wir auch schlicht als Luft bezeichnen ? Sie ist ein Gemisch aus unzähligen Gasen und Edelgasen, die ebenso der Massenanziehungskraft der Erde unterliegen und somit auch ein Gewicht hat. Denn ein Gewicht spiegelt nur die Intensität der Massenanziehungskraft wieder. Ein Stein ist deshalb schwerer als ein Schwamm, weil er stärker von der Massenanziehungskraft angezogen wird. Die Maßeinheit in der wir das messen ist Gramm und Kilogramm. Doch bei der Luft gibt man es nicht in Gramm oder Kilogramm an, sondern in Form des Luftdrucks, also in Hektopascal ( hPa ). Wir könnten es uns als Druck ( -Gewicht ) eine Luftsäule vorstellen, die vom Erdboden bis zum Ende der Atmosphäre reicht. 

Wenn wir uns einen Wetterbericht anschauen, dann müsste uns auffallen, dass im Sommer Hochdruckgebiete ( Antizyklone ) von den Azoren aus nordöstlich über Europa ziehen. Sie bringen uns mit ihrem hohen Luftdruck von 1030 hPa und mehr beständiges Wetter, das wir auch als schön bezeichnen, weil damit sommerliche Temperaturen und Sonnenschein verbunden ist. 




 

Auf der anderen Seite können wir hören, dass Tiefdruckgebiete ( Zyklone ) mit vielleicht 980 hPa von Island über die Deutsche Bucht in Richtung Südosten ziehen und prompt erfahren wir, dass sich uns unbeständiges Wetter mit Wind und Regen nähert. 

Doch wie ist es möglich, dass die Luftsäule über uns mal ein Druckgewicht von 980 hPa haben kann und dann 1030 hPa oder mehr, obwohl der Abstand zum Ende der Atmosphäre gleich bleibt ? Das Geheimnis liegt in der Temperatur ! 

Wenn wir im Hochsommer in den Urlaub fliegen, z.B. von Berlin zu den Kanarischen Inseln, das Flugzeug sich über Zentralspanien befindet, wir aus dem Fenster schauen und uns Spanien aus der Vogelperspektive anschauen, kommen wir spätestens ins grübeln, wenn wir einen Blick auf den Bordmonitor werfen. Dort wird laufend angezeigt, die Uhrzeit, das Wetter am Urlaubsort, die Flughöhe, die Geschwindigkeit, die Innentemperatur, die Außentemperatur usw.. Doch was ist das ? Die Außentemperatur wird mit weniger als minus 50° C angegeben und die Bodentem- peratur mit knapp plus 40° C. Sicherlich ein Fehler ! 

Keineswegs, die Sonne überträgt Energie mittels Strahlung. Immer wenn Strahlen, also auch Lichtstrahlen, von einem dünneren in ein dichteres Medium eintauchen werden sie zum Kern hin abgelenkt. In diesem Fall ist das dünnere Medium das All und das dichtere Medium unsere Atmosphäre. Dabei können die Lichtstrahlen die Luft nicht direkt erwärmen, sie dringen durch die Luft hindurch. Treffen auf den Boden, erwärmen ihn und der Boden gibt die Wärme langsam an die Luft wieder ab. Dadurch haben wir in Bodennähe die höchsten Temperaturen durch Sonnenein- strahlung und je höher wir kommen desto kälter wird es. Im Schnitt können wir festhalten, dass je 100 m Höhenzunahme die Temperatur um ca. 0,7° C sinkt. Dabei dehnt sich die Luft je nach Temperatur aus. Sie verändert also ihre Dichte und damit ihr Gewicht. Ohne dieses Phänomen wäre Wetter, so wie wir es kennen, nicht möglich. 

Doch schauen wir noch einmal genauer hin. Die energiereichen Lichtstrahlen durchdringen die Atmosphäre, treffen auf den Boden und erwärmen ihn, allerdings nicht gleichmäßig. Sand und Steine erwärmen sich schneller und stärker als Waldgebiete oder gar Wasserflächen. Der Untergrund gibt die Wärme je nach Beschaffenheit langsam an die Luft ab. Dabei dehnt sich die Luft aus, wird leichter als die ihr umgebene Luft, der hPa-Wert sinkt und die erwärmte Luftmasse steigt langsam auf. Dabei rückt kühlere Luft von den Seiten nach. Es entsteht Thermik. Je höher diese Warmluft aufsteigt desto kälter wird es und sie zieht sich wieder zusammen, wird schwerer, der hPa-Wert steigt und an einer anderen Stelle sinkt diese abgekühlte schwere Luft wieder auf den Erdboden. 

Diese Thermik nutzen wir bei Segelflug. Ein Flugzeug samt Insassen wird dabei durch die aufsteigenden warmen Luftmassen in die Höhe getragen. Bei einer Fahrt mit einem Heizluftballon erzeugen wir künstlich solche Thermik. In einem unten offenen Ballon halten wir eine Luftmasse, die wir mit einem Brenner künstlich erwärmt haben. Auch diese Luftmasse dehnt sich aus, die überschüssige Luft entweicht an der offenen Unterseite des Ballons, die Luft im Ballon wird leichter und zieht eine Gondel samt Personen in die Höhe. 

Wenn wir auf einem Berg stehen und der Luftdruck von 1035 hPa auf 980 hPa sinkt, wird sich die Höhe des Berges trotz des geringeren Luftdrucks nicht verändern. Auf einer Wasserfläche sieht es ganz anders aus !

 

 

Das Wasser weicht dem höheren Luftdruck aus und die Wasserhöhe verändert sich. Um diese Auswirkung zu beziffern brauchen wir wieder einen Bezugspunkt. Da nur die Sonne der Motor für diese Veränderungen ist, müssten wir die Erde abdecken und warten bis sich überall auf der Erde ein gleichmäßiger Luftdruck einstellt hat. Wissenschaftler haben diesen Wert mit 1013,2 hPa beziffert und berechnet, dass eine Luftdruckveränderung von 1 hPa eine Wasserhöhenveränderung von ca. 1 cm nach sich zieht. Würde sich also die eingangsbeschriebene Luftdruckveränderung von 1035 hPa auf 980 hPa auf dem Wasser ereignen, dann würde die Wasserhöhe um ca. 55 cm steigen, weil 1035 hPa - 980 hPa = 55 hPa sind und entsprechen ca. 55 cm. 

Übertragen wir unsere Erkenntnisse auf die Ostsee, dann können wir davon ausgehen, dass ein Wasserhöhenunterschied von ca. 30 bis 60 cm durch Luftdruckveränderungen entstehen könnten. Addieren wir noch unsere 10 cm aus den Gezeiten hinzu, dann sind wir bei einem Wasserhöhen- unterschied von 40 bis 70 cm. Es sieht zwar schon ganz gut aus, aber leider reichen diese Werte noch immer nicht. 

es geht weiter  Heinz Rose

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